Museum erhält Corona-Brief aus Tunesien

Museum erhält Corona-Brief aus Tunesien
Wie bei uns mit der Pandemie umgegangen wird, insbesondere die Frage wie viele Einschränkungen nötig sind, beherrscht nach wie vor viele Gespräche. Vor den Fotografien in der aktuellen Sonderausstellung „Bildergeschichten – Der Nahe Osten und wir“ stehend, hat sich Museumsleiterin Sonja Langkafel allerdings gefragt, wie Corona in Tunesien, im Iran oder Saudi-Arabien erlebt wird. Sie setzte sich mit Katharina Eglau in Verbindung. Die Fotografin, deren Bildergeschichten im Museum zu sehen sind, lebt mit ihrem Mann, dem Korrespondenten Martin Gehlen, in Tunesien. Eglau schickte zusammen mit Fotos von ihrem Corona-Leben in der Nähe von Tunis folgenden Bericht:

„In den ersten Wochen war ein Roboter der heimliche Corona-Star in Tunesien. Blinkend und knirschend rollte er auf seinen vier Rädern durch die Straßen, blinzelte mit seiner Rundumkamera, die ihre Bilder in die Polizeizentrale übertrug. Krächzend sprach er Passanten an, fragte sie nach ihrem Ausweis oder ihrem Grund für den Spaziergang. Junge Leute, die nur mal eine rauchen wollten, schickte er mit barschen Ton nach Hause. Anders als viele andere Staaten hat Tunesien bei Corona nicht lange gefackelt. Mitte März wurde von einem auf den anderen Tag eine absolute nächtliche Ausgangssperre verhängt von 18 Uhr abends bis sechs Uhr früh. Tagsüber auf die Straße durfte nur noch, wer zum Einkaufen oder zum Arzt musste. Etwa 12.000 Tunesier, die aus dem Ausland zurückgeholt wurden, mussten für 14 Tage in staatliche Quarantäne. Ihre Zimmer wurden fest verschlossen, das Essen vor die Tür gestellt.
Rückblickend hat sich diese tunesische Radikalkur ausgezahlt. Inzwischen geht es auch hier wieder deutlich lockerer zu. Fast alle sind zurück auf den Straßen und tragen Masken. Sogar das Abstandhalten und geduldige Warten vor den Läden klappt, obwohl in Vor-Corona-Zeiten das Vordrängeln zum Volkssport gehörte. Bisher wurden in Tunesien nur rund 1050 Infizierte gezählt, von denen 48 starben. Das in Tunis eingerichtete zentrale Covid-19-Hospital mit 120 Betten versorgt derzeit noch zwei Patienten. Seit Tagen tendiert die Zahl der Neuinfektionen gegen Null.
Über unserem Wohnviertel in La Marsa, einem Vorort von Tunis am Mittelmeer, lag in den letzten Wochen eine himmlische Ruhe. Alle Autos und Knattermotorräder waren verschwunden, nur das Rauschen der Wellen und fröhliche Zwitschern der Vögel zu hören. Die Natur atmete durch, meine Tage bekamen einen neuen Rhythmus aus Malen, Schreiben und Zeichnen. Ich genoss die Muße und ging jeden Abend trotz Ausgangssperre für eine Weile herunter zum Strand. Denn ich weiß, der Polizeiroboter mag keine Treppen.“

Darüber, dass Corona dagegen in den Bürgerkriegsländern Syrien und Jemen und auch im Iran dramatischere Auswirkungen als in Tunesien hat, schreibt Martin Gehlen. Seine Berichte sind in vielen Zeitungen Deutschlands zu lesen. Wer Interesse hat kann sie leicht finden, wenn er im Internet unter „Gehlen Corona“ sucht.

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